07.12.2025
Körper
Mindset Gesundheit Arbeit

Warum die Wechseljahre kein Frauenthema, sondern ein Wirtschaftsthema sind

In Deutschland befinden sich derzeit rund neun Millionen Frauen in den Wechseljahren – das sind etwa ein Viertel aller erwerbstätigen Frauen. Doch trotz dieser beeindruckenden Zahl wird das Thema in Unternehmen, in der Wirtschaftspolitik und im öffentlichen Diskurs nach wie vor weitgehend ausgeblendet.

Dabei sind die gesundheitlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen enorm – und die Vernachlässigung dieser Lebensphase ist längst zu einem Faktor des Fachkräftemangels geworden.

 

Wechseljahre: Ein biologisch-natürliches Massenphänomen des Lebens – keine Nische

Die Wechseljahre markieren eine natürliche Lebensphase – keine Krankheit, jedoch eine biologische und lebens-natürliche Phase hormoneller Umstellung, die mit weitreichenden körperlichen und psychischen Veränderungen einhergehen kann.

Viele Frauen berichten über Symptome wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, Erschöpfung, Konzentrationsschwierigkeiten („Brain Fog“) oder Stimmungsschwankungen. Diese können sich direkt auf die Arbeitsleistung, Motivation und psychische Stabilität auswirken – insbesondere, wenn am Arbeitsplatz kein Verständnis oder keine strukturelle Unterstützung vorhanden ist.

Eine aktuelle Schätzung zeigt:

Jede sechste Frau in den Wechseljahren reduziert ihre Arbeitszeit, wechselt den Job, verzichtet auf Karriereschritte oder kündigt, weil sie sich nicht verstanden, nicht mehr leistungsfähig und/oder nicht wertgeschätzt fühlt.

Das bedeutet: Hunderttausende erfahrene Fachkräfte gehen der Wirtschaft jedes Jahr verloren – mitten in einer Phase ihres Lebens, in der sie eigentlich über die größte Berufserfahrung, Führungsstärke, stabile Lebenssituation und emotionale Intelligenz verfügen.

Ein wirtschaftliches Desaster mit Ansage

Wenn Frauen in dieser Lebensphase den Beruf verlassen, trifft das Unternehmen mehrfach hart:

  1. Know-how-Verlust: Jahrzehntelange Erfahrung, Fachwissen und soziale Kompetenz verschwinden – meist ohne adäquate Nachfolge.

  2. Kosten für Neu-Rekrutierung & Einarbeitung: Jede verlorene Fachkraft kostet laut Studien zwischen 50.000 und 100.000 Euro.

  3. Produktivitätsrückgang: Wenn Symptome nicht erkannt oder thematisiert werden dürfen, leiden Arbeitsqualität und Motivation – häufig still und schleichend.

  4. Reputationsverlust: Arbeitgeber, die frauenspezifische Gesundheitsthemen ausklammern, gelten zunehmend als nicht zukunftsorientiert oder diversitätsfern.

Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, des demografischen Wandels und der steigenden Lebenserwartung ist es also keine Option mehr, dieses Thema zu ignorieren.

Die Wechseljahre sind kein Privatthema – sie sind ein strategisches Wirtschaftsthema, über das Männer und Frauen gleichermaßen Bescheid wissen müssen.

 

Frauen und Zyklusbewusstsein: Ein blinder Fleck in der Arbeitswelt

Nicht nur die Wechseljahre, auch das zyklische Wesen von Frauen wird in der Arbeitswelt kaum berücksichtigt. 

Von der Gestaltung der Arbeitszeiten über die Leistungsbewertung bis hin zur Verfügbarkeit und Ausstattung von sanitären Anlagen und Pausen – viele Strukturen sind nach wie vor auf einen männlich linearen Leistungsrhythmus ausgerichtet.

Hier einige Beispiele:

  • Toiletten entsprechen oft nicht den Hygienestandards, es mangelt häufig an Entsorgungsmöglichkeiten für Hygieneartikel.

  • Meetingzeiten und Schichtpläne ignorieren hormonelle Leistungsschwankungen.

  • Homeoffice- oder Flexibilitätsmodelle orientieren sich selten an zyklischen Bedürfnissen.

  • Gesundheitsprogramme im Betrieb sind meist auf Rückenschule, Fitness oder Ernährung ausgerichtet – selten auf hormonelle Balance, Stress, individuelle Beratung oder Schlafqualität.

Dabei zeigen neuere Untersuchungen:

Ein zyklusorientiertes Arbeitsmodell kann zu mehr Produktivität, besserer Zufriedenheit und geringeren Ausfallzeiten führen – nicht nur bei Frauen in den Wechseljahren, sondern in allen Lebensphasen.

Wechseljahre als Chance für Unternehmen

Unternehmen, die das Thema aktiv angehen, profitieren auf mehreren Ebenen:

  1. Mitarbeiterbindung & Employer Branding

    Wenn Frauen erleben, dass sie in dieser Lebensphase verstanden und unterstützt werden, entsteht Loyalität. Unternehmen werden als modern, menschlich und inklusiv wahrgenommen.

  2. Produktivität & Leistungserhalt

    Mit gezielten Angeboten – z. B. flexible Arbeitszeiten, Gesundheitsprogramme, Coaching oder medizinische Beratung – bleiben erfahrene Mitarbeiterinnen länger gesund und leistungsfähig.

  3. Führungskompetenz & Diversity-Vorteil

    Frauen in der Lebensmitte verfügen über hohe emotionale Intelligenz, Krisenerfahrung und Weitblick – wertvolle Qualitäten für Führungs- und Mentoringrollen.

  4. Gesellschaftliche Verantwortung & Nachhaltigkeit

    Wer Frauen in dieser Lebensphase stärkt, leistet einen Beitrag zu Gleichstellung, Teilhabe und sozialer Nachhaltigkeit – und stärkt das Unternehmen langfristig.

 

Europa hinkt hinterher

Während in Ländern wie Großbritannien oder Australien das Thema „Menopause am Arbeitsplatz“ bereits Teil von Unternehmensstrategien, Gesetzesinitiativen und HR-Programmen ist, steckt Europa – insbesondere Deutschland – noch in den Kinderschuhen.

Es fehlt an Bewusstsein, Sprache und konkreten Strukturen, um dieses Thema selbstverständlich in den betrieblichen Alltag zu integrieren. 

Dabei wäre der wirtschaftliche Nutzen enorm:

Wenn nur 10 % der betroffenen Frauen durch bessere Unterstützung im Job gehalten werden könnten, würde die deutsche Wirtschaft jährlich Milliarden Euro einsparen – durch weniger Fluktuation, Krankheitsausfälle und Produktivitätsverluste.

 

Die Zukunft ist weiblich – auch in den Wechseljahren

Das weiblich zyklische Naturell und die Wechseljahre sind kein Tabuthema und schon gar keine Randerscheinung.

Es handel sich um ein zentrales Wirtschaftsthema, das über Wettbewerbsfähigkeit, Fachkräftebindung und Gleichstellungentscheidet.

Es ist höchste Zeit, dass Unternehmen, Politik und Gesellschaft begreifen:

Frauen in den Wechseljahren sind kein Risiko – sie sind eine Ressource.

Eine Generation erfahrener, kluger, empathischer und hochqualifizierter Fachkräfte, die gesehen, verstanden und gefördert werden will.

 

Diskussionsanstoß:

Wie gehen Unternehmen aktuell mit dem Thema um – und was müsste sich verändern, damit Frauen in der Lebensmitte als das gesehen werden, was sie sind: eine tragende Säule der Gesellschaft und der Wirtschaft?